Dann eben wir beide

Textauszug Nummer 2


»Wie hast du das eben gemeint?«, platzt es endlich aus Anna heraus, und sie schnellt zu ihrer Freundin herum, mit mittlerweile kampfeslustigem Blick.

»Was genau?«, fragt Sarah scheinheilig, um Zeit zu gewinnen. Diese Art von Gespräch wollte sie gerade nicht heraufbeschwören. Ärger überkommt sie, dass sie überhaupt den Mund aufgemacht hat.

»Vor allem nicht nach gestern Nacht«, wiederholt Anna betont und langatmig. »Du hast von mir nicht erwartet, dass ich dir helfe, weil ich gestern Nacht WAS genau gemacht habe?«

Sarah winkt ab und schüttelt den Kopf. »Lass gut sein, ich hab grad nicht … also, das war nicht … vergiss es einfach, ok.?«

Doch Anna scheint nicht nach Vergessen zu sein. Sie stemmt die Fäuste in die Hüften und schaut ihre Freundin eindringlich an. »Was, Sarah?! Was ist los?«

»Gar nichts, Anna, bitte. Vergiss es einfach wieder. Ich habe nur laut gedacht, habe nicht mal selber drüber nachgedacht. Ich bin noch viel zu besoffen von gestern.«

»Besoffene und kleine Kinder sprechen immer die Wahrheit. Den Spruch kennst du doch, oder?«

Sarah nickt und schaut zu Boden. »Nur so ein Gefühl. Ich weiß selbst nicht, was es bedeuten soll.«

»Wegen Daniel?« Sarah zuckt richtiggehend zusammen, als Anna den Namen so offen ausspricht. Auch das bleibt Anna nicht verborgen. »Also ja?«

»Sag du es mir?«, spielt Sarah den Ball schnell zurück. »Was ist das hier für eine Geschichte? Erst erzählst du mir von ihm, machst mich neugierig, dann kommt er auch noch hierher und spielt die "Wenn-Wir-35-sind-Karte" aus, und dann …«

»Ja, und dann was?«, faucht Anna regelrecht.

»Du bist schon früher auf ihn scharf gewesen, das hast du doch gesagt. Und seid ihr beiden die halbe Nacht aufeinander rumgehangen gestern oder seid ihr nicht?«

»Pfff«, pfeift Anna verächtlich und tritt einen Schritt zurück. »Wir sind überhaupt nicht aufeinander …«

»Und dass ihr beiden gevögelt habt, hat Daniel mir auch gebeichtet«, wirft Sarah erbost noch mit ein.

»Na und?«, bellt Anna zurück. »Hab ich dir das etwa nicht erzählt? Und wo ist dein Problem? Du hast die letzten 17 Jahre jemand anderen gevögelt. Hast du irgendein Vorrecht auf Daniel? Steht irgendwo geschrieben, dass du ihn für alle Zeiten hinhalten und verarschen darfst?«

»Ich hab Daniel nie verarscht«, schreit Sarah erbost. 

»Da bist du aber die verdammt nochmal einzige, die das so sieht, holde Prinzessin.«

Sarah schnappt nach Luft, hätte weder heute morgen, noch irgendwann, mit einer Auseinandersetzung dieser Art und Tragweit mit Anna gerechnet. 

»Sei doch froh,« Anna ist in Fahrt. Der Kopf rot angelaufen, einen Teller fest umklammert in der Hand, wohl weniger um ihn aufzuräumen, vielmehr um ihn als mögliche Waffe gegen ihre Freundin einzusetzen. »Wenn er dir erzählt hat, dass wir im Bett waren, will er reinen Tisch haben. Das ist doch ein verdammt gutes Zeichen für dich. Freu dich, Bitch. Hast mal wieder gewonnen.« Geräuschvoll zerspringt der Teller auf dem harten Fliesenboden in unzählige Scherben. Anna wirft die Küchenschürze hinterher, dann sprintet sie auf die Haustüre zu.

»Und jetzt fick dich«, ruft sie über ihre Schulter hinweg, dann kracht die Tür hinter ihr ins Schloss und lässt dabei die Hauswand erzittern.